Samplonielehre 4
Hier ist mein Entwurf zu einem Intro zu Ho Wigane im Stil der zeitgenössischen indianischen Musik.
Keyboard, Gitarre und Okarina sind "echt", dazu ein Drum- und ein Percussion-Sample aus World Oriental (Magix).
Wenn man mit Audio Samples arbeiten will, bleibt als Tonart nur d-Moll, d. h. wir beginnen i. d. R. und enden auf jeden Fall mit Sample 2 (Dm).
Hier verwende ich als Intro (auf dem Keyboard) die d-Moll-Kadenz, zzgl. Bb: Dm Bb Gm A Dm
Bb ist die Durparallele zu Gm. Lies: B; englisch "B flat" (daher das zusätzliche b)
Leider gibt es als Samples aber nur: 2 (Dm) und 7 (Bb).
Wir können uns behelfen, indem wir einfach nur 2 Takte Dm und 2 Takte Bb spielen, also:
2 / 2 / 7 / 7 // und weil es so schön klingt, das ganze ruhig wiederholen.
Mein Intro kommt dreimal. Beim ersten mal habe ich die Tonlänge verdoppelt. Das Wiederholen einer Ton- oder Akkordfolge mit verlängerten (Augmentation) oder verkürzten Notenwerten (Diminution) ist eine Standardtechnik.
In der Popmusik, ich würde sagen, so ab Ende 80er, verwendet man jetzt gerne folgenden Effekt:
Dem Akkord wird ein Ton zugefügt (Zeichen: +, add. oder sus.). Das ist normalerweise der 4. statt der 3. Ton oder der 9. statt des 8.. Der eigentliche harmonieeigene Ton wird uns so lange "vorenthalten". Das nennt man dann einen Vorhalt. Der Vorhalt ist also ein harmoniefremder Ton. Er gehört meist zur vorhergehenden Harmonie, wird aber noch ein bißchen gehalten, dann läßt man den eigentlichen Ton nachkleckern.
Der Trick stammt aus der Mottenkiste aus den Zeiten vor J. S. Bach, klingt aber immer wieder wie neu. Beispiel: Dieter Bohlen, Für dich; Show me the light (Zeig mir das Licht) aus Rudolph the rednosed reindeer.
Das Neue ist, daß sich bei mindestens zwei aufeinanderfolgenden Akkorden die selben Töne wiederholen.
Am Ende des Intros setzt der Baß ein. Er spielt hintereinander das d. Dieser Ton Kommt in allen drei darüber gespielten Akkorden (G Bb Dm) als harmonieeigener Ton vor. Liegt so ein Ton im Baß und bleibt dort liegen, nennen wir ihn Orgelpunkt. Bei der Orgel kann man einen Ton nämlich ewig klingen lassen.
Das Gm aus dem Intro wechselt beim nächsten Einsatz der Strings (Keyboard) zu G. Gm und G, also ein Moll- und ein Durdreiklang auf dem selben Grundton bezeichnet man als Variantklänge. Unterschied: G hat ein h und Gm ein b als 3. Ton.
Die Melodie ist pentatonisch: d f g a c . Die d-Molltonleiter hat die Töne d e f g a b c d'. Bei der Pentatonik fehlen also das e und das b. Dadurch haben wir keine Halbtonschritte. Die Melodie scheint zu "schweben".
Weil nun das b fehlt kann man statt Gm auch G einsetzen - und das gibt diesen schönen Klang, wie wir ihn hier am Schluß oder auch bei Ananau in den Fassungen von Wayra und Alborada haben. Freue mich auf Tips und Kritiken!
Wder kann ich dir jetzt Tipps noch Kritik rüberwachsen lassen. Mir fällt nur ein, daß es recht geschmeidig in meine Öhrchen einhergeht, ist sehr ausbaufähig, weitermachen wäre sehr interessant.
Hast hier wieder ein sehr schönes Intro gezaubert....leider zu kurz und man merkt das hier der Lehrer durchkommt. Aber auch schön zu wissen wie manche Dinge funktionieren, bzw. mit welchen Tricks man arbeiten kann.
ja, jetzt bleibt für mich die Frage ob die 2 immer Dm ist. In anderen Samplepacks gibt es ja unterschiediche Tonlagen. In den verschiedenen Genres sind ja z.B. bei 4 die tiefsten Töne, in einem anderen Genre beispielsweise sind bei der 1 die tiefsten Töne zu hören...
Und ich könnte mir vorstellen, das in den verschiedenen Abteilungen andere Dur- und Molltonarten "sinnvoller" zusammengestellt sind. Also bei Pop würde ich mehr Dur- und vllt bei Movie mehr Molltonarten vermuten.
Leider kann ich in manchen Fällen einen Ton, der mit unterschiedlichen Instrumenten gespielt wird, nicht wiedererkennen. Also ein Geigen-C hört sich für mich anders als ein Gitarren-C an. Um das unterscheiden zu können und auch hören, das es ein C ist, ohne es zu wissen, dafür braucht man das absolute Gehör. Da gibt es auch nicht so viele, die das können....
Ich verfolge deine Lehrstunden mit Interesse, da ich mich bis jetzt "nur" auf die Ohren verlassen habe. Auch wegen der oben beschriebenen Tonartenhöhen...
Wie heißt es doch so schön: Übung macht den Meister
Ein anderes aber: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr
Also ich freu mich immer über die hübschen goldenen Sternchen ...
Im Ernst: Bei World Oriental sind die beiden einzigen Samplestufen umgekehrt angeordnet. Bei manchen Styles gibt es keine 7 ... mehr weiß ich da nicht. Ich habe nur die paar Samples vom Music Maker 2007 und Samplitude Music Studio 16 (und bei denen gehen die Midi Samples nicht ...).
Ein "absolutes" Gehör ist eher störend. Es stimmt aber, daß man bei Instrumenten, die man selber spielt, die Töne besser unterscheiden kann. Ein Gitarrist erkennt z. B. einen C-Dur-Griff am Klang, sogar, wenn er mit Kapodaster (also nicht in C)gespielt wird. Man sollte aber die Grundbegriffe Klang und Tonhöhe deutlich unterscheiden.
Was man, ohne absolutes Gehör, heraushören kann, sind die Intervalle und ungefähr die Tonlage, also die relativen Tonhöhen. Weswegen tragen also Chorleiter immer eine Stimmgabel mit sich herum? [Weil sie besser in die Tasche paßt als ein Klavier.] Man braucht also ein Instrument (oder ein Stimmgerät) um die absolute Tonhöhe zu ermitteln.
Man findet im Internet dazu kostenlose "online keyboards", falls man kein eigenes hat. Macht doch nix, daß die eigentlich für Kinder sind, da versteht man wenigstens alles. http://www.jetztspielen.de/spiel/Virtual-Keyboard.html
ja, hast du schön beschrieben, wie man mit Vorhalten musikalisch Spannung erzeugt und auch ein schönes Beispiel dazu kreiert. Die meisten hier werden das aber leider nicht anwenden können, weil Vorhaltakkorde in der Samplelibrary von Magix bis auf wenige Ausnahmen nicht vorkommen.
Vielleicht sollte man noch der Vollständigkeit halber dazu sagen, daß die Avantgarde schon seit den 70ern die Tendenz hatte, die Auflösung der Vorhalte zu verweigern, stattdessen sogar Vorhalte in einer Reihung anzubieten, sozusagen als Gegenmittel gegen *Friede Freude Eierkuchen*, was ein gesättigter Moll- oder Durakkord schon von Haus aus mitbringt. An den frühen Genesis-Produktionen, Yes und ELP kann man das wunderbar studieren. Die Kultivierung der Spannung ohne glättende Auflösung, in diesem Ausmaße ein Phänomen der End 60er und frühen 70er, besonders im Bereich des damaligen ProgRock beliebt .....
Danke Tommy für die sehr wertvollen Ergänzungen. Ich wußte nicht, wie ich das klar formulieren sollte, daß die Vorhalte (nach meinem Eindruck) nicht mehr aufgelöst werden, nur daß es so ist. Warum war mir auch nicht klar. Habe das einfach als "Zeitgeist" eingestuft. Danke auch besonders für den Hinweis auf Genesis und die Korrektur meiner Zeitschätzung.
Wenn ein Stück bereits mit einem Vorhaltakkord beginnt, kann der logischerweise den harmoniefremden Ton nicht von einem (nichtexistenten) vorhergehenden Akkord übernommen haben.
Für mich ist es eine Erweiterung des Klanges, Vergleichbar mit dem Jazz. Dort hat man harmonieeigene Töne, Septe, None, Undezime bis Tridezime (Sept- bis Dreizehnerakkord) zur Grundharmonie - unabhängig von ihrer Funktion - hinzugefügt. Man bezeichnet so etwas auch als "Pfefferminzakkorde".
Bei Rock & Pop kommen statt diesen Terzen nun Sekundschritte dazu.
Zur Erläuterung: die Terz (Abstand 1. bis 3. Ton) ist konsonant, die Sekunde (zwei benachbarte Töne) dissonant.
Durch die Dissonanz (das "Auseinanderstreben") der Töne entsteht natürlich eine starke dramatische Klangwirkung, die sich deutlich vom Jazz unterscheidet.
Beim nachklossischen Jazz versucht man die Funktionen der Harmonien aufzulösen. Beim Rock bleibt die klare Struktur (Tonika, Dominanten, etc.) ganz bewußt erhalten; das harmonische Klangbild wird jedoch verändert. Man vergleiche dies mit Schlagern.
Für mich haben die Rolling Stones damit angefangen. Beispiele: Angie, Brown Sugar (1969 /1971) u.v.a.m. - alle leben vom Quartvorhalt.
bis zum Einsatz der Gitarre super, danach ohne Tambourin und einen etwas flexibeleren Bass....das Ganze dann auf 4- 5 Minuten mit einem schönem Gitarrensound ausbauen.
Der Klangteppich ist schon vom Feinsten, aber da geht noch mehr .
Deine Erklärungen öffnen mir hier stellenweise die Augen und sind eine gute Ergänzung zu diesem und jenem.
Knie noch immer... bisher nicht aufgestanden...
bitte hinkünftig um Links...
Intelektuell hast Du hier jetzt den Vogel abgeschossen, und Magix muss sich (vielleicht bald) was Neues einfallen lassen.
Egal wie...
5*+
Fav
Franz
Ja, die Sekunden .... da gabs dann Rock-Produktionen, die ganz gegen konventionelle Gewohnheiten sogar mit einer schrillen Dissonanz endeten. Wie haben wir das damals geliebt .... Die wilden 70er...